CHEN TAIJI: Geschichte & Wissenswertes


Über Taijiquan im Chenstil

 

... paying off taxes and debts, am I humble and excising forbearance. People tell me being foolish and crazy, I listen reverently, but I pursue no officialdoms so I sneer at the Marquises… awaken in the wisdom, I roam in the waters and the mountains… victory or fall matters naught… in peace as I am always… who is the immortal?”

(Chen Xin, 425 über Chen Wangting)

 

Statue Chen Wangtings im Ahnentempel
Statue Chen Wangtings im Ahnentempel

Das Wasser ist am klarsten an der Quelle 

 

Der pensionierte General Chen Wangting schuf vor etwa 400 Jahren in dem Dorf Chenjiagou in Henan, China, aus seinem Wissen aus der Kampf- und Kriegskunst, aber auch aus den Heilkünsten der Traditinellen Chinesischen Medinzin und der inneren Alchimie des Qi Gong diese Kunst von Angriff und Verteidigung, die auf der Philosophie von Yin und Yang basiert und auch damals schon einen hohen Gesundheitswert hatte.

 

 

Chen Wangting 陈王廷 1597-1664  

 

Ziel war, dem Nachwuchs ein effektives Kampfkunstsystem zu vermitteln, bei dem körperliche Ertüchtigung und Gesundheitswert genauso tragende Inhalte waren, wie das Einstudieren und Praktizieren von effektiven Techniken des Faust- und Waffenkampfes- bei möglichst geringem Verschleiß- und Verletzungsrisiko, denn Ärzte waren knapp und die Praktizierenden der Kampfkunst (Mitglieder der Chenfamilie) waren oft Bauern und wurden auch für die tägliche Arbeit auf den Feldern gebraucht!

Außerdem beeinflußt wurde Taiji sowohl vom Konfuzianismus, als auch von Taoismus (wie die meisten chinesischen Kampfkünste) und Buddhismus.

 

Chen Wangting schuf 5 Formen, außerdem noch eine Form des sog. "Langboxens" mit 108 Bewegungen "Changquan" und eine Kanonenfaust-Form (Paoquan), aus denen sich nach und nach das heutige Taiji entwickelte. Es gab die Übungen der "Klebenden Speere", sowie die ersten Tuishou- Übungen (Pushhands), auch Übungen der Schiebenden Hände genannt.

 Man nimmt an, daß diese ersten Formen noch etwas mehr dem heutigen sog. "Kung Fu" ähnelten, mit etwas mehr Sprüngen und kämpferischen Elementen.  Allerdings war der Unterschied zur klassichen Übungspraxis des Wushu, daß seine Boxformen nicht nur durch Meditation und Atemtechniken begleitet wurden, sondern, daß die gesamte Meridianlehre, Meditation, Gesundheit und Kampf-/Selbstverteidigungsübungen zu einem einzigen, umfassenden, kompletten System zusammenflossen, zu einer Einheit wurden. Da dieses Übungsprinzip der Philosophie von Yin und Yang entsprach, wurde es von Beobachtern als Taiji-Boxen bezeichnet.

 

 

Die Kampfkunst Taijiquan wurde über mehrere Jahrhunderte an die männlichen Mitglieder innerhalb der eigenen Familie weitergegeben, bis mit Yang Luchan (Yang Fukui) schließlich der erste "fremde" Schüler Bekanntheit erlangte- der spätere Begründer des Yang-Stils.

Nach dem Yangstil entstanden weitere Taiji-Stile, einige der Bekanntesten z.B. der Wu-Stil und der Sun-Stil; etwa in den 60er/70er Jahren fand Taiji auch seinen Weg in den Westen und wurde erst in den USA und wenig später auch in Europa verbreitet.

 

Dazu auch ein gut zusammengefasster Artikel auf Taiji Europa:

http://www.taiji-europa.de/taichi-taiji/taiji-stile/chen-stil/

 

 

Weitere bekannte Meister der Chenfamilie sind u.a.

 

Chen Changxing, 陈长兴, 1771-1853, 14. Generation,

der die 7 Formen des Chen Wangting in zwei Hauptformen zusammenfaßte, die etwa den heute bekannten Formen 1 und 2 des Alten Rahmens (Laojia Yilu und Erlu) entsprechen und sozusagen das zentrale Fundament der Ausbildung im Chenstil bilden.

Chen Changxing war auch der Lehrmeister von Yang Luchan, dem Begründer des späteren Yangstils

 

Chen Xin ( "Pinsan"), 16. Generation, 1849-1929

lernte ebenfalls von früher Kindheit an Taijiquan, befaßte sich aber mit Literatur und fand die Aufgabe, das Wissen der Chenfamilie in Büchern niederzuschreiben. Seine "Illustrierten Erklärungen zu Chen Taijiquan", auch bekannt als "Chen Pinsan`s Taijiquan Essentials" óder Chen Xin`s Canon) zeigt die Positionen der Form mit ihren Anwendungen und Illustrationen und weist auf wichtige Schlüsselstellen hin, die beim Üben zu beachten sind.

http://www.scribd.com/doc/22501334/Illustrated-Canon-of-Chen-Family-Taijiquan-by-CHEN-XIN

 

 

Chen Fake, 陈发科 , 1887-1957, 17. Generation,

der lange in Peking lebte und die Formen des Alten Rahmens weiterentwickelte, indem er die in den Anwendungen der Bewegungen enthaltenen Spiralen deutlicher herausarbeitete und die Bewegungen der Formen sozusagen "erweiterte". Er entwickelte aus der Laojia Yilu und Erlu des Alten Rahmens den sogenannten "Neuen Rahmen", die Formen Xinjia 1 und 2.

(es ist dringend empfehlenswert, vor dem erlernen der Xinjia ein solides Fundament und Kräfte- und Bewegungsverständnis durch gründliches Praktizieren der Formen des Alten Rahmens zu schaffen, will man die kämpferische Essenz der Formen des Neuen Rahmens wirklich verstehen und gehaltvoll umsetzen, da in den Xinjia-Formen große Kräfte auf wesentlich kürzerem "Weg" generiert werden müssen, als in den Formen des Alten Rahmens!)

Chen Fakes Sohn, Chen Zhaoxu, war der Vater des heutigen Großmeisters und Linienhalters Chen Ciaowang,

 

Chen Zhaokui - folgt

 

Chen Zhaopei - folgt

 

Chen Xiaowang, Chen Zhenglei*, Zhu Tiancai und Wang Xian: 

Die sogenannten 4 "Buddhawächter" oder Jin Gan der 19. Generation, die in ihrer Jugend alle von Chen Zhaopi unterrichtet wurden, vertreten die heute wichtigsten Linien im Chen Taiji des sog. "Großen Rahmens".

*siehe "Profile"

 

 

Mehr über Geschichte und Meister:

https://theinternalathlete.wordpress.com/2016/05/04/an-interview-with-grandmaster-chen-xiao-wang/

http://www.pachentaiji.com/    (englisch)

 

 

Merkmale des Chen Taiji:

 

Das Besondere an Taiji sind die spiraligen, weichen Bewegungen, die nicht nur leicht und elegant aussehen und beim Praktizieren für Gesundheit und Wohlbefinden sorgen- insbesondere ermöglichen sie, einen gegnerischen Angriff zu neutralisieren und dessen Kraft ab- und umzuleiten. Sie basieren auf dem kosmischen Spiralprinzip, das sich im Universum genauso manifestiert wie auf der Erde in der Natur oder im Menschen und der Philosophie von Yin und Yang.

Durch den Weg der inneren Kultivierung wird harte, äußere Muskelkraft außerdem nach und nach von innerer Kraft ergänzt. Ein gut entwickelter Taiji-Körper ist deshalb wie Stahl, gewickelt in Baumwolle: Aus äusserer Weichheit und geschmeidiger Nachgiebigkeit manifestiert sich von innen heraus eine explosive Kraft von extremer Härte.

 

Da die Bewegungen von Taijiquan zum Großteil langsam und in meditativer Ruhe geübt werden (aus denen dann die explosiven, harten kämpferischen Aktionen hervorgehen) und durch eine Anzahl von Übungen zur meditativen Versenkung, Focussierung und inneren Energieführung ergänzt werden, erfreut sich Taijiquan heute nicht nur als Kampfkunst, sondern vor allem als gesunde Bewegungskust weltweiter Beliebtheit.

Basierend auf dem Prinzip von Yin und Yang, welches in Natur und Kosmos extreme Gegensätze durch steten Wechsel und Interaktion zu einer harmonischen Einheit verbindet, ist auch Taiji eine Kampfkunst, in der Gegensätze im Wechsel eine ganzheitliche Harmonie bilden:

So, wie auch in der Natur Wärme und Kälte, Licht und Schatten, männlich und weiblich in Interaktion stehen, ist auch gutes Taiji keine immer gleichförmig-langsam- gemäßigte Bewegungsform, sondern ein reges Wechselspiel von Öffnen und Schließen, langsam und schnell, hart und weich, Entspannung und Anspannung....

 

Der Chenstil hat wie kein anderer Stil noch diese eigentliche Essenz des Taijiquan bewahrt und offenbart neben den weichen, gesundheitsfördernden, spiraligen Bewegungen („Taiji is round“) auch explosive, schnelle und harte Fauststöße, Tritte und Sprünge, bietet neben den langsameren Yilus auch die explosiven Erlu- oder Paochui Formen, neben langsam-weichen Tuishou Routinen auch hartes, schnelles Box- Anwendungs- und Wurftraining etc.- jedoch immer basierend auf dem Spiralprinzip unter Beachtung von taiji-typischer Struktur und Prinzipien.

 

Richtiges Chen Taijiquan dient also nicht nur der Gesundheit und Entspannung, sondern ist tatsächlich noch als Kampfkunst tauglich und auch zur Selbstverteidigung und zu kämpferischer Anwendung geeignet. 

Gesundheits- und Lebenspflege, Meditation, Selbstverteidigung und Kampfkunst, die Extreme von hart und weich, schnell und langsam, innen und außen sind im Chen Taiji zu einem harmonischen Gesamtsystem in einer balancierten Einheit, bzw. ausgewogenem Wechsel, zusammengefaßt.

Das disziplinierte,  gründliche und oft meditative Training fördert ausserdem wichtige Charaktereigenschaften wie Geduld, Beharrlichkeit, Bescheidenheit, Respekt und Achtsamkeit, denn bevor man einen Feind besiegt, sollte man in der Lage sein, "sich selbst zu besiegen".

 

Allerdings erfordert der kämpferische Einsatz zunächst die Entwicklung einer solide Basis – und zwar nicht nur einen trainierten Körper und einstudierte Techniken, sondern auch eine hochentwickelte Körperstruktur, das Gespür für innere Energie und Kraft und deren weitere Entwicklung, um dann tatsächlich die Kraft des Gegners aufnehmen und umleiten zu können. Sonst kommt es schnell zu groben Raufereien, die vor allem auf Anwendung äußerer Kraft basieren- aber solche Angewohnheiten können die weitere Entwicklung im Taiji und vor allem die Entwicklung wirklicher (innerer) Fähigkeiten verzögern und sogar blockieren.

 

Leider haben unsere heutige schnellebige Zeit, die sog. "fast Food Mentalität", Ungeduld, Bequemlichkeit und eine nach aussen gerichtete Focussierung, die schnelle Effekte oft der Qualität und wirklicher Klasse vorzieht, dazu geführt, daß viele Schulen ihr Angebot mehr an den oberflächlichen Wünschen ihrer unerfahrenen Kundschaft als an den tatsächlichen Anforderungen ihrer Kampfkunst orientieren:

Ein breites Angebot immer neuer Stile und Übungssysteme durch zahlreiche neue "Stilgründer"  ist Schuld daran, dass viele Schüler in ihrem Lernen zu sehr in die Breite gehen, zu viele Formen, Stile und Bewegungen oberflächlich lernen- aber den langwierigen, mühsamen Weg in die Tiefe ihrer Kampfkunst scheuen oder sich entmutigen lassen, weil sie entsprechend moderner Erwartungshaltung nicht schnell genug vorankommen. Auf diese Weise können Praktizierende den Zugang zu wirklicher Qualität und Klasse leider nicht finden.

 

Eine solide Grundlage schafft man durch ausdauerndes Üben der Stehenden Säule, Seidenweber-Übungen, Meditationen, geduldiger Routinen- und Anwendungsarbeit im Tuishou, sowie durch ausführliches Formentraining in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und vielen Wiederholungen, was gleichermaßen der Gesundheitsförderung dient:

 

Der ganze Körper wird auf verschleißarme Weise bewegt und der innere Energiefluß in den Meridianen angeregt, so verbessert sich nach und nach neben Beweglichkeit und Ausdauer auch der gesamte Gesundheitszustand und man findet zu einer stabilen körperlichen und psychischen Balance.

 

Übungspraxis:

 

Auch wenn Taiji heute gerne als leichtes, harmonisches Bewegungssystem zur Entspannung verkauft wird, muß dem Übenden klar sein, daß die Bewegungen zwar leicht und fließend aussehen, aber vor allem an Anfang gar nicht so einfach zu erlernen sind :

Das Gleichgewicht, die Feinmotorik und das Zusammenspiel aller Körperteile wollen genauso geübt sein, wie die entspannte und ruhige innere Haltung, die den Erholungseffekt und die Kraftentfaltung erst möglich macht;

langsame, saubere Bewegungen ohne die Muskulatur unnötig anzuspannen; tatsächlich die Bewegung aus dem Rumpf heraus zu führen anstatt nur die Arme zu bewegen usw....

außerdem muß der Übende auch die Reihenfolge der Bewegungen im Gedächtnis behalten und den Ablauf so intensiv üben, daß er fast automatisch abgerufen werden kann, damit sich der Übende auf die Vorgänge im Körper, z.B. das Öffnen der Gelenke, Lösen und Sinken, Bewegung aus der Mitte, sein Dantien etc. achten kann .

 

Gerade die Anfangszeit kann deshalb oft etwas mühsam sein und man darf sich nicht durch Ungeduld vorzeitig entmutigen lassen:

Aber da Taiji die Möglichkeit bietet, körperliche Beschwerden, sie man sich in Jahren und oft Jahrzehnten der Unachtsamkeit erworben hat, oft schon in wenigen Monaten deutlich zu verbessern- und das ganz ohne schädliche Nebenwirkungen- hat man eine hervorragende Motivation, um am Ball zu bleiben-

 

 Denn hat man die Anfänge erst überwunden, ein Gefühl für die fließenden, angenehmen Bewegungen entwickelt und allmählich gelernt, innere Ruhe zu finden, fühlt sich das Üben so angenehm und wohltuend an, daß man für die Mühe und das Durchhalten reichlich belohnt wird!

 

 


 

“In armor with my sword, I fought courageously… several great dangers in the blessing from the Imperial… Now at this old age, I have nothing left but the Book of Huangting. Creating quan when I am idle, cropping in the fields when I am busy… I teach my children and students, so that they would

become dragons or tigers as they wish…