Zhan Zhuang, "Stehen wie ein Baum", ist nicht nur im Taijiquan eine sehr wichtige, grundsätzliche Übung, die uns hilft, Ding, Chen und Struktur zu entwickeln, an inneren Energieflüssen und Dantian zu arbeiten und unsere innere Focussierung, sowie Disziplin zu steigern. Zugleich findet eine innere Entwicklung statt, eine Erweiterung der Wahrnehmung bis hin zur Entwicklung innerer Kraft und nahezu übersinnlicher Fähigkeiten.
Wie bei jeder inneren Übung, ebenso wie beim Formenlauf, spielt "Yi", die innere Focussierung, eine tragende Rolle, damit wir nicht einfach sinnentleert dastehen oder durch die Form bewegen, sondern ein wirkliches Geschehen, eine Entwicklung im Körper initiieren können.
Zu beachten ist, daß man durchaus unterscheidet zwischen kämpferischem Focus und Gesundheitstraining. Dieser Unterschied besteht nicht nur im Chen Taiji; auch im Yiquan, einer anderen inneren Kampfkunst, die sich noch weit mehr als Chenstil auf die Übungen der Stehenden Säule bezieht, macht man hier klare Unterschiede und traditionell natürlich in allen Übungen der Stehenden Säule, welche in ganz China in sämtlichen Kampfkünsten, sowie im Qi Gong seit Jahrhunderten (lange vor Entstehung des Taijiquan) weit verbreitet sind.
So unterscheidet man im Yiquan z.B. zwischen "Kampf-Stehen" (jijizhuang) und "Gesundheitspflege" (yangshengzhuang). Wichtiger als die unterschiedlichen Grundstellungen (im Chenstil steht man für kämpferische Übungen breiter, tiefer und mit weiter rund ausgebreiteten Armen auf Brusthöhe, während reines Gesundheitsstehen oft schmalere Stände, höhere Positionen und stärker abgeknickte Arme näher am Körper bevorzugt) ist jedoch die Idee, die innere Focussierung und Absicht "Yi", die der Übung erst ihren eigentlichen Sinn und ihr Gehalt gibt.
Dank einer guten Beschreibung und Übersetzung von Benjamin Witt kann ich hier nun die folgenden Erläuterungen und Übersetzungen aus dem Chinesischen in Kopie erwähnen, bzw. zitieren:
Zhuang bedeutet im chinesischen Pfeiler im Sinne von Grundpfeiler, Eckpfeiler. Im weitesten Sinne würde man bei uns Fundament sagen und bringt einfach Grundlagentraining zum Ausdruck, welches aber jegliche Form annehmen kann.
Benjamin Witt erwähnt ausserdem, daß es sowohl Jijizhuang, als auch Yangshengzhuang in jeglicher Stellung trainiert werden können.
Die Idee, sowie und Sinn und Ziel, hinter einer Übung sind ausschlaggebend -- nicht die Stellung oder die äussere Form. Die äussere Form ergibt sich aber oft aus der Idee weil es einfach SINN
(Idee und Sinn spiegeln exakt den Bedeutungsraum von Yi wieder) macht, spielt aber immer eine der Idee untergeordnete Rolle.
Über den Gebrauch von Geist und Idee (shen - yi)
Auszug aus "Quandao Zhongshu 6." von Wang Xiangzhai (Central Pivot of the way of fist) -
Übersetzung von Bejamin Witt, mit dessen freundlicher Genehmigung
Das Wichtigste beim Stehen unter dem Kampfkunstaspekt ist, in einer ganzheitlichen aber äusserst lebendigen Wohlspannung zu sein, dass die Geisteskräfte den ganzen Körper ausfüllen.
Die geistige Absicht dabei ist wie ein im Nebel
verborgener Panther, während das Bewusstsein sich (mit dem Gegenüber) zu einer Einheit verbindet; man besitzt die Wildheit entfesselter Pferde und die Wucht eines zischenden, beissenden
Drachens.
Der Scheitel bewegt sich nach oben, so dass sich der Nacken aufrichtet. Gleichzeitig zieht sich das Zentrum der Aussenstellen des Körpers (Scheitel, Handflächen und Fusssohlen) innerlich
zusammen. Der ganze Körper spannt sich auf, als ob er von allen Seiten mit der Aussenwelt (durch imaginäre Seile) verbunden wäre. Die Zehen krallen den Boden und die Knie haben sowohl eine nach
aussen drückende als auch eine nach innen umarmende Kraft die nach oben geht, wobei sich die Fersen leicht heben. Das ganze fühlt sich an wie ein gewaltiger Tornado der Bäume entwurzelt; man
kommt sich vor als ob man sich in einer spiralförmig schwingenden Bewegung von der Erde losreissen wollte um fortzufliegen.
Konkret bedeutet das, dass sich aufspannende und zusammenziehende, bündelnde und auseinander gehende Kräfte entfalten, so als ob sich die Haare am ganzen Körper wie Speerspitzen aufstellen. Die
vertikale Achse im Körper kann sich dabei nach allen Seiten verwinden und die Zentrumslinie weitet sich im Quadrat ((math.) D.h. um ein vielfaches) nach aussen. Das wichtige bei dieser
herausreissenden Kraft ist, dass man mit Himmel und Erde darum ringt.
Der Schulterbereich und die Ellbogen spannen sich auf und weiten sich nach aussen und haben doch eine zurückkehrende bündelnde Kraft, die in einer etwas herausreissenden unendlichen Spirale
wirkt; auf und ab, drücken und umarmen, alles bedingt sich gegenseitig und nie darf dabei die Ausgeglichenheit und Ganzheit der Kräfte verloren gehen. Egal ob man mit den Fingerspitzen in etwas
hineinsticht oder links und rechts (mit seinen Fingerspitzen) etwas herausreisst; egal ob mit den Händen von innen nach aussen zu gehen oder etwas von aussen nach innen zu bündeln, man hat immer
das Gefühl, die Berge mit der ganzen Erdkugel zusammen zu bewegen. Sehnen und Muskeln sind voller Kraft und die Knochen sind wie scharfe Kanten.
Konkret bedeutet das, dass man, wenn man sich sammelt (bündelt), schon an die Bewegung (nach aussen) denken muss; einsaugen und wieder ausspucken, egal in welcher Richtung sich die Kräfte
bewegen. Die Schultern öffnen und schliessen sich ganz unabhängig davon, ob es querverlaufend rollende-, drückend reibende oder hebend spiralförmige Kräfte sind.
Die Haare am ganzen Körper stellen sich wie ein Urwald auf; der obere Rücken richtet sich auf und der Untere wird gerade; der Bauchbereich füllt sich und wird rund und der Brustbereich wird
leicht zurück genommen (bzw. wölbt sich leicht). Setzt man sich in Bewegung ist es wie ein Tiger in Rage der aus dem Wald kommt; der durch die Berge streift und kurz vor einem Sprung steht. Der
ganze Körper ist wie eine äusserst lebendige Schlange, die plötzlich zuckt; wie Feuer, das plötzlich den ganzen Körper entflammt; oder man ist wie wie ein schlummernder Drache, der plötzlich wie
vom Blitz getroffen hochschiesst. Dabei muss man das Aufwallen der Muskeln und Sehnen spüren, so dass die Kraft wie Schiesspulver ist und die Hände wie Patronen sind. Nimmt der Geist auch nur die
geringste Bewegung wahr, kann der Vogel nicht mehr davonfliegen, fast so, als ob einem dabei eine größere Kraft zu Hilfe kommen würde.
Daher, sobald einem etwas in die Quere kommt und Geist und Bewusstsein damit in Kontakt treten, ist es wie ein Netz, das den ganzen Himmel umfasst und aus dem nichts mehr entkommen kann; wie ein
Donner, der alles erschüttert oder wie wenn sich Frost wie ein Schuppenpanzer über Gras und Büsche legt und diese sich in Ehrfurcht beugen. Die Geschwindigkeit mit der (eine Reaktion) ausgelöst
wird, kann dabei kaum noch mit einem Bild umschrieben werden. Deswegen habe ich diese Form von Geist- Bewustseinsbewegung als eine Bewegung bezeichnet, welche (die normale Form von)
Geschwindigkeit übersteigt. Was diese Form und dieser Grad von Geschwindigkeit angeht, so übersteigt sie einfach alles, was man sich an Geschwindigkeit vorstellen kann.
Alles, was ich oben gesagt habe, hört sich ziemlich abstrakt an. Jedoch muss man mit seinen Geisteskräften danach streben, es konkret zum Ausdruck zu bringen, um zu vermeiden, dass es nur reine
Phantasterei ist.